Derzeitiger Stand der Initiativen für die Umsiedlung von Geflüchteten aus Griechenland und Italien in deutsche Städte 1. März 2017
Überall in Deutschland haben sich 2016 Initiativen gegründet, die sich für die Umsiedlung von Geflüchteten aus Griechenland und Italien nach Deutschland einsetzen. An einem Initiativen-Treffen in Kassel im Januar 2017 haben 18 VertreterInnen aus 10 Städten (Darmstadt, Hamburg, Hannover, Heidelberg, Mainz, Marburg, Mannheim, Münster, Osnabrück und Potsdam) teilgenommen. Der folgende Bericht gibt den Stand der in Kassel vertretenen Initiativen von Anfang 2017 wieder. Er beruht auf einem Fragebogen, der vor dem Treffen von den Initiativen ausgefüllt wurde.
Wer trägt die Initiativen? Die Initiativen werden von Einzelpersonen, Vereinen und/oder Bündnissen von Organisationen getragen, die meist schon vorher in der Flüchtlingshilfe aktiv waren. In den meisten Städten nehmen nur um die 10 Personen oder weniger aktiv an den Treffen teil. Unterstützung erfahren die Initiativen aber überall von einem weiteren Kreis von Einzelpersonen, linken Parteien, Vereinen, Kirchen, Flüchtlingsräten, Gewerkschaftsgruppen und andere Gruppen.
Worum geht’s? Die Initiativen fordern die Umsetzung des EU-Umsiedlungsprogramms und engagieren sich in ihren jeweiligen Städten dafür, dass sich die lokalen Regierungen für die Aufnahme von Geflüchteten einsetzen. Während einige die Aufnahme bestimmter Personen fordern, die bereits Familienmitglieder in Deutschland bzw. den jeweiligen Städten haben, geht es anderen eher allgemein um die Bereitschaft, mehr Geflüchtete aufzunehmen.
Translokale Zusammenarbeit: Die meisten der Initiativen haben direkten oder indirekten Kontakt zu Geflüchteten in Griechenland oder Italien. Viele der Engagierten kennen Geflüchtete, die Verwandte und/oder Bekannte in Griechenland oder Italien haben. Einige der Initiativen unterhalten darüber hinaus Kontakte zu Organisationen oder Personen in Griechenland, die bei der Kontaktaufnahme zu Personen in Lagern helfen können. So arbeitet beispielsweise die Hannoveraner Initiative mit dem Zentrum für Flüchtlinge „Mosaik“ in Mytilini auf Lesbos zusammen und die Osnabrücker „50ausidomeni“ Initiative steht in engem Kontakt und Austausch mit der Flüchtlingsorganisation „Naomi“ aus Thessaloniki. Die Initiative „Potsdam Konvoi“ hat aus eigenen Einsätzen in Griechenland viele Kontakte zu Geflüchteten und Helfer*innen in Griechenland und somit Zugang zu aktuellen Informationen zur dortigen Lage.
Unterstützung durch Gemeinderäte in ein paar Städten: Einige der Umsiedlungsinitiativen haben bereits einen positiven Ratsbeschluss zur Aufnahme aus griechischen und italienischen Flüchtlingslagern erreicht: Osnabrück im Juni 2016, Marburg im Mai und Dezember 2016, Darmstadt und Potsdam im Dezember 2016 (allerdings beinhaltet der Potsdamer Ratsbeschluss keine direkte Aufnahmebereitschaft der Stadt). Die Stadtverordneten der Stadt Potsdam fassten auf Antrag der Initiative Potsdam-Konvoi einen Beschluss, in dem sie die Bundesregierung auffordern, das Relocation-Programm endlich um zusetzen und anerkennen in diesem Beschluss die Arbeit der lokalen Initiative.
Dem positiven Ratsbeschluss folgend, haben die VertreterInnen der Stadt Darmstadt auf Bund- und Länderebene (Hessischer Städtetag, Deutscher Städtetag, Rat der Gemeinden und Regionen Europas, Hessischer Sozialausschuss, etc.) die Umsetzung des europäischen Umverteilungsprogramms gefordert. Die Marburger Stadtregierung hat sich ebenfalls bei der hessischen Landesregierung für die Umsetzung des Programms ausgesprochen, aber nach ausweichenden bzw. ablehnenden Antwortschreiben der zuständigen Politiker keine weiteren Aktivitäten ergriffen. Der Osnabrücker Stadtrat hat sich beim Bundesministerium für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und dem Europäischen Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) für die Umsiedlung von 50 Personen aus Griechenland nach Osnabrück eingesetzt. Der Osnabrücker Oberbürgermeister unterstützt zudem den Beschluss des Europäischen Rats der Städte und Regionen, Relocation schnell umzusetzen und zukünftig die Kommunen als direkte Partner in der europäischen Flüchtlingsverteilung wahrzunehmen. Trotz dieses Engagements lokaler PolitikerInnen sind bislang keine Personen aus Italien und Griechenland nachweisbar über das Umsiedlungsprogramm in die jeweiligen deutschen Städte gekommen.
Was ist mit den Städten, in denen es bislang keinen positiven Ratsbeschluss gibt? In den Städten, in denen bislang noch kein positiver Ratsbeschluss vorliegt, arbeiten die Initiativen z.B. über Gespräche mit den Fraktionen im Gemeinderat, Infoabende oder Unterschriftenaktionen daran, einen solchen herbeizuführen. Größtes Problem beim Erreichen eines positiven Beschlusses ist die fehlende oder nicht ausreichende (da nur durch einzelne Fraktionen oder einzelne PolitikerInnen ausgesprochene) Unterstützung im Rat. Skepsis haben die politischen StädtevertreterInnen vor allem bezüglich der Forderung nach einer Mehraufnahme über die festgelegte Quote hinaus, und eventuell anfallende Mehrkosten für ihren kommunalen Haushalt. In Mannheim und anderswo wurde damit argumentiert, dass ja bereits durch die Einrichtung von Erst- oder Notaufnahmeeinrichtungen zusätzliche Personen aufgenommen würden. (Dabei wird die in Mannheim geplante LEA wahrscheinlich nicht eingerichtet.)
Die Mainzer Initiative führt die mangelnde Unterstützung der lokalen Bevölkerung an als ein Grund, warum es bislang nicht zu einem positiven Ratsbeschluss gekommen ist. Gerade deshalb ist ein Ausweiten der Kampagne geplant in der Hoffnung Ende März auch einen positiven Stadtratsbeschluss zu erwirken.
Bisherige Aktivitäten der Initiativen: Sowohl die lokalen Printmedien als auch soziale Medien wie facebook und eigene Webseiten werden von den Initiativen intensiv und kreativ genutzt, um die Forderungen öffentlich zu machen und für Unterstützung zu werben. Viele der Initiativen nehmen zudem regelmäßig an Veranstaltungen oder runden Tischen teil, um sich lokal zu vernetzen und auszutauschen. In vielen Städten wurden Infostände eingerichtet, um Unterschriften für Petitionen zu sammeln und Passanten über die Initiativen zu informieren. Einige Aktionen wurden zudem genutzt, um Spenden für Geflüchtete in Camps in Griechenland zu sammeln und über deren Situation zu berichten. In Osnabrück wurden 1.000 Wärmflaschen für Lagadikia, Zelte und Schlafsäcke für Geflüchtete in einer Bauruine in Thessaloniki, sowie Geldspenden für einzelne Familien in Griechenland gesammelt. Die Potsdamer Initiative hat für und mit der (Würzburger) Initiative „Liebe im Karton“ Geschenkkartons für Kinder in griechischen Flüchtlingscamps sowie warme Kleidung gesammelt. Offene Briefe wurden an Bundes-, Landes- und Stadtabgeordneten, sowie weitere Interessierte versandt und vielerorts auch persönlich das Gespräch mit EntscheidungsträgerInnen gesucht.
Persönliche Kontakte und Gespräche, sowie die (Unterschriften-)Aktionen waren besonders erfolgreich, um die Initiativen bekannt zu machen und Unterstützung zu gewinnen. Durch breit beworbene Informationstreffen, Facebook Aufrufe und Pressearbeit konnten insbesondere zu Anfang der Kampagnen UnterstützerInnen gewonnen werden.
Wie geht’s weiter? Auch in den nächsten Monaten haben die Initiativen zahlreiche weitere lokale und überregionale Aktionen geplant. Dabei soll auf die bisher gemachten Erfahrungen aufgebaut werden und Pressearbeit mit persönlichen Gesprächen und öffentlichkeitswirksamen Aktionen verbunden werden. Auch neue Formate wie Benefizkonzerte, Flashmobs und Kinowerbungen sind in Planung. In Hamburg Ottensen/Altona wird am 28.2.17. eine Veranstaltung mit dem Slogan „Hamburg hat Platz! Abschottung stoppen!“ stattfinden. Für den Frühsommer ist eine weitere Großveranstaltung in Hamburg unter dem Motto „Europa geht auch solidarisch!“ geplant. Fokus dieser und anderer Veranstaltungen soll die Rolle von Städten und Landkreisen bei der Aufnahme von Geflüchteten/Umsiedlung sein. In Osnabrück wird eine Veranstaltung im Rahmen der Woche gegen Rassismus stattfinden. Die Initiativen werden auch die konkrete Unterstützung von Geflüchteten in Flüchtlingscamps in Griechenland und Italien weiter betreiben bzw. Einzelfallhilfe leisten. Die Initiative in Darmstadt fordert weiterhin die Umsiedlung von Familie Al Ibrahim (hierzu gibt es auch eine campact Petition) aus Griechenland nach Darmstadt.
Über die jeweiligen lokalen Aktionen hinaus, soll die bundesweite Vernetzung der Initiativen, die Initiierung weiterer Initiativen in anderen Städten und die Veranstaltung gemeinsamer Aktionen weiter ausgebaut werden. Gemeinsam sollen Ideen und konkrete Vorschläge entwickelt werden, wie eine „andere“ Aufnahme von Geflüchteten in den einzelnen Städten und darüber hinaus aussehen könnte. Dabei geht es um mehr als die Umsetzung des Umsiedlungsprogramms – es geht um die Abkehr von einer Politik der Abwehr von Geflüchteten auf lokaler, nationaler und europäischer Ebene.
Ort | Name | Träger | Aktive | Kontakte | positiver
Ratsbeschluss? |
Darmstadt | 57 – Darmstadt verdoppelt | Einzelpersonen
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8-10 | ja | Ja am 15.12.2016 |
Hamburg | Ottenser Gespräche zu Flucht und Migration (OGFM)
Aktionskreis Hamburg Hat Platz (AHHP) |
Einzelpersonen, vorher aktiv bei der Unterstützung von Lampedusa in Hamburg | 20 | indirekt/ja, aber könnte mehr sein | Nein |
Hannover | ? | Flüchtlingsrat Niedersachsen | ? | nein/ Mosaik“, Zentrum für Flüchtlinge in Mytilini auf Lesbos | Nein |
Heidelberg | Asylarbeitskreis Heidelberg e.V. | Verein (Asylarbeitskreis Heidelberg e.V.) | 60-120 | indirekt(nein | Nein |
Mainz | Menschen auf der Flucht aus Griechenland aufnehmen | Einzelpersonen | 5 | indirekt/nein | Nein |
Mannheim | Save- me Mannheim | Initiative | 7 | Parteien Kirchen, Mannheim sagt Ja! e.V | Nein |
Marburg | „200 nach Marburg“ | Bündnis von Organisationen | Vier ehrenamtl. Multiplikatorinnen, die mit ca 50 ehrenamtlichen Lehrer*innen Deutschunt. für Geflüchtete organisieren. Drei davon noch aktiv. Plus eine weitere Einzelperson.
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nein | Ja, im Mai und Dezember 2016 |
Münster | Stadt der Zuflucht Münster | Einzelpersonen | 10 | ja | Nein |
Osnabrück | 50 aus Idomeni | Einzelpersonen + Vereine | 5-10 | ja/ Naomi | Ja, im Juni 2016 |
Potsdam | Potsdam-Konvoi | freiLand Potsdam – Basisdemokratisches soziokulturelles Zentrum/ Einzelpersonen
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10 | ja | Ja |
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