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Europa von unten neu beleben – Initiative Gesine Schwan

Vortrag von Prof. Dr. Gesine Schwan: Neue Wege in der europäischen Flüchtlingspolitik – Chancen für die Kommunen? 24.11.2017

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„Die Europäische Union benötigt dringend eine sowohl realistische als auch menschenrechtsorientierte Grenz- und Einwanderungspolitik. Der gegenwärtige Ansatz führt zu einer gefährlichen Abhängigkeit vom türkischen Ministerpräsident Erdogan, setzt Länder als sicher voraus, die es eindeutig nicht sind, und erklärt nordafrikanische Länder zu möglichen Partnern, die selbst keine sicheren Staaten sind und nicht den minimalsten Standards für Menschenrechte entsprechen. Die Idee zum „Outsourcen“ der Migrationskontrolle in Länder außerhalb der EU ist als Dauerlösung nicht umsetzbar. Solange es keine Garantie zur Einhaltung der Menschenrechte und zur Einhaltung internationaler Rechtsstandards gibt, untergräbt die EU ihre eigenen Grundwerte und ihre Glaubwürdigkeit.“

Zitat aus „Relaunching Europe Bottom-Up“, Danzig, Juni 2017  – original Download englishitalianoDeutsche Kurzfassung hier klicken

Siehe auch: Artikel in der Neuen Osnabrücker Zeitung vom 25. November 2017


 

Deutsche Kurzfassung

Strategie[1]

Europa von unten neu beleben

(Kurzfassung)

  1. Der Kontext

Die Europäische Union braucht dringend eine realistische und zugleich menschenrechts-orientierte Grenz- und Einwanderungspolitik. Der gegenwärtige Ansatz des „Outsourcens“ der Migrationskontrolle in Länder außerhalb der EU ist als Dauerlösung nicht umsetzbar. Solange es in diesen Ländern keine Garantie zur Einhaltung der Menschenrechte und internationaler Rechtsstandards gibt, untergräbt die EU ihre eigenen Grundwerte und ihre Glaubwürdigkeit.

Aus vielen Gründen ist eine einseitige Strategie „von oben“ zur Integration von Flüchtlingen zum Scheitern verurteilt. Deshalb brauchen wir eine Strategie „von unten“, von Städten und Gemeinden, die ein Interesse haben, Geflüchtete zu integrieren.

Dazu benötigen die Städte eine Finanzierung durch die EU für:

  • Die Kosten, die durch die Integration selbst entstehen, sowie
  • zusätzliche Investitionen in die lokale Infrastruktur für ihren eigenen Bedarf.

 

Ein europäisches Finanzierungsinstrument für die Kommunen würde drei Ziele gleichzeitig realisieren:

  • Eine menschliche Lösung für die Ansiedlung von Geflüchteten in Europa,
  • die Stärkung des Engagements für Europa durch Beteiligung der Bürger,
  • die Initiierung einer dezentralen, nachhaltigen Wachstumsinitiative auf lokaler Ebene zur Überwindung von Arbeitslosigkeit.

 

Dabei sind folgende Hindernisse zu überwinden:

  • Die nationalen Regierungen müssen überzeugt werden, dass diese Strategie in ihrem eigenen Interesse liegt.
  • Die Finanzierung der Integration muss für Städte und Gemeinden unkompliziert sein.
  • Infrastrukturen zur Integration von Geflüchteten müssen auch in kleineren und mittelgroßen Kommunen geschaffen werden, sodass Migranten sich auch außerhalb der Metropolen ansiedeln können.

 

Der Antrag der Gemeinden müsste folgende Standards erfüllen:

  • Antragerstellung unter Einbezug von Interessenvertretern aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft,
  • eine Integrations-Strategie für die gesamte Gemeinde,
  • eine Anti-Korruptions-Strategie,
  • ein makro-ökonomisches Konzept zur Schaffung von Arbeitsplätzen und nachhaltigem Wachstum.

Der Europäische Rat sollte längerfristig einen Fonds einrichten, aus dem die Kommunen finanzielle Mittel zur Integration abrufen können. Kurzfristig könnte ein Demonstrations-Projekt mit einem Test-Etat eingerichtet werden.

 

  1. Manifest

Das europäische Schiff befindet sich weiterhin in turbulenten Wassern. Wir, die Bürger aus organisierter Zivilgesellschaft, Wirtschaft und den Kommunen haben die Verantwortung, Europa von unten neu zu beleben. Wir sind uns der Probleme, aber auch der außerordentlichen Chancen, die Europa uns bietet, bewusst. Als erste Antwort auf die drängendsten Herausforderungen möchten wir einen Europäischen Fonds zur Integration von Geflüchteten einrichten. Ein solcher Fonds böte die Chance, Integration in eine Europäische Wachstumsinitiative zu verwandeln. Unsere Ideen kommen mit Initiativen der Europäischen Kommission, des Parlaments und weiterer Institutionen und Organisationen überein. Der neue Mittelfristige Finanzrahmen der EU für die Jahre 2021-2027 sollte einen öffentlich finanzierten Fonds einrichten, aus dem Kommunen umfassende Finanzmittel sowohl für die Flüchtlingsintegration als auch die allgemeine gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung erhalten können. Um die Unterstützung der Gemeinschaft zu erhalten, sollte der Antrag von Repräsentanten eines breiten Spektrums gesellschaftlicher Akteure aus Politik/Kommunalverwaltung, Unternehmenssektor und organisierter Zivilgesellschaft  erarbeitet werden, sodass nachhaltige Lösungen auf der Basis gemeinsamer „ownership“ generiert werden können.

Der Antrag der Kommunen sollte folgende Elemente umfassen:

  • Einen Plan für die Integrationsstrategie und die allgemeine Entwicklung der Kommune;
  • einen Zeitplan zur Umsetzung;
  • einen umfassenden Input der lokalen Geschäftswelt;
  • die erwarteten Resultate,
  • Evaluationsverfahren,
  • eine Anti-Korruptionsstrategie.

Die Entscheidung über den Antrag sollte unter Beteiligung der Interessenvertreter getroffen werden.

Die Europäische Kommission sollte im Rahmen dieser Parameter bald ein Demonstrationsprojekt initiieren. Ein Fonds hierfür könnte aus Restmitteln laufender EU-Programme finanziert werden. Ein neuer Fonds könnte auch über die Investitionsinitiativen, die mehrere europäische Staats- und Regierungschefs vorgeschlagen haben, finanziert werden.

Wir laden die Europäische Kommission, das Europäische Parlament und den Europäischen Rat ein, unseren Vorschlag so schnell wie möglich zu realisieren. Wir haben eine neue Chance – alles was wir brauchen, ist der politische Wille der EU, diese Gelegenheit zu nutzen und Europa von unten neu zu beleben.

 

[1]Originalfassung auf Englisch erstellt von HUMBOLDT-VIADRINA Governance Platform im Zuge der Konferenz „Relaunching Europe Bottom-up“ (Juni 2017 in Danzig); die vorliegende Kurzfassung auf Deutsch wurde von der Initiative 50 aus Idomeni erarbeitet.

 

 

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