Die Vereinbarung mehrerer Innenminister Europas zu einem Notfallmechanismus zur Seenotrettung, die in den vergangenen Tage von den Medien kommentiert wurde, schien endlich die Tür für eine Verbesserung zu öffnen. Sie ist aber leider weit weniger positiv als in den Medien kommuniziert. Die ganze Vereinbarung arbeitet mit dem Begriff der ‚illegalen‘ Migration. Das bedeutet, dass Menschen, die über das Mittelmeer fliehen von vornherein als Illegale gekennzeichnet werden.
Der solidarische Verteilungsmechanismus wird gekoppelt an verschärfte Abschottung: Die libysche Küstenwache soll künftig noch mehr Flüchtlinge abfangen, Seenotrettungs-NGOs werden weitere Knüppel zwischen die Beine geworfen und eine europäische Seenotrettungsmission ist in weiter Ferne.
Im Einzelnen zur Abschottung:
– Die Innenminister wollen die Küstenwachen Nordafrikas aufrüsten; sie sollen Flüchtlinge abfangen und zurück nach Nordafrika bringen
– NGOs werden verpflichtet, mit der libyschen Küstenwache zusammenzuarbeiten
– Die Registrierung von NGO-Rettungsschiffen soll erschwert werden: sie müssen sich als Rettungsschiffe registrieren
– Mitgliedsstaaten sollen keine Schiffe, sondern nur Flugzeuge zur Luftüberwachung des Mittelmeers schicken, um Flüchtlingsboote frühzeitig zu entdecken. Und aufgrund der bisherigen Erfahrungen, dann wohl auch die libysche Küstenwache zu informieren.
– Mitgliedstaaten werden davon abgeschreckt, eigene Rettungsschiffe ins Mittelmeer zu entsenden. Wenn sie eigene Rettungsschiffe einsetzen, müssen die Geretteten selbst aufnehmen und profitieren nicht von der Verteilung. Also muss Italien – oder jeder andere Anrainerstaat – weiterhin die Flüchtlinge selbst aufnehmen, die von der eigenen Küstenwache gerettet werden. Ein weiterer Grund für diese Länder die Kapazitäten der eigenen Küstenwache zur Rettung stark einzuschränken.
Zur Verteilung:
– Verteilt werden sollen Asylsuchende, die aus dem Mittelmeer gerettet wurden. Weit mehr Menschen kommen allerdings mittlerweile mit Booten direkt in Italien an. Sie sind von der Verteilung ausgeschlossen.
– Die Einigung lässt ein Schlupfloch für den Fall, dass ein Land wie etwa Malta von einem „überproportional starken Migrationsdruck“ betroffen ist. Dann sollen sich andere Mitgliedstaaten – auf freiwilliger Basis – bereit erklären, die Geretteten an Land zu nehmen.
– Die Verteilung soll innerhalb von 4 Wochen passieren; in Italien oder Malta soll es nur Sicherheitschecks und eine Gesundheitsüberprüfung geben, die Asylverfahren selbst werden in den Mitgliedstaaten durchgeführt, auf welche die Geretteten verteilt wurden.
– Die Regelung soll zunächst für 6 Monate gelten mit der Möglichkeit zur Verlängerung.
– Sollten sich die Zahlen Geretteter stark erhöhen, kann die Vereinbarung ausgesetzt werden.
Diese ersten Details aus der Vereinbarung wurden von Erik Marquardt (Europäisches Parlament, Grüne) zusammengestellt und von mir ergänzt.
Sie zeigen, dass die Arbeit der Seebrücke und der Seenotrettungsorganisationen sich bei weitem noch nicht erledigt hat und dass es leider kaum Gründe gibt, zu optimistisch zu sein.
Die Seebrücke Osnabrück hofft deshalb auch weiterhin auf Ihre solidarische Unterstützung.
Seebrücke Osnabrück
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